Meine Dienstzeit

1963: Bootmann und Schiffszimmermann von H66 während der Überfahrt von Rostock nach Dranske 

1964: Torpedoregelstellenleiter und Oberfunkmeister von H66 

1962: Leitender E-Mixer, Sanitäter und Oberfunkmeister von H66 in Rostock

 

Am 1.August 1960  nahm ich den Dienst als Freiwilliger bei den damaligen Seestreitkräften der NVA auf. In den ersten Tagen konnte man sich noch kurzfristig für eine Unteroffiziers- oder Offizierslaufbahn entscheiden. Ich legte die Aufnahmeprüfung für die Maatenschule in der Fachrichtung Funk ab und verpflichtete mich für 4 Jahre Dienstzeit. Die Ausbildung erfolgte auf der Flottenschule Parow und dauerte 1 Jahr. Die ersten vier Wochen waren ausschließlich mit militärischer Ausbildung ausgefüllt. Danach schloss sich eine fachliche Ausbildung bis Juli 1961 an. Dabei wurden die Fächer Hören, Geben, Gerätekunde, Elektrotechnik, Funktechnik und Funkbetriebsdienst gelehrt. Am 1. Mai 1961 wurden alle Teilnehmer des Maatenlehrganges zum Obermatrosen befördert. Als am 1. August 1961 die Neueinstellungen erfolgten, wurden die Maatenschüler als Ausbilder eingesetzt. Am 7. Oktober 1961 wurden alle Maatenschüler, die den Lehrgang erfolgreich abgeschlossen hatten, zum Maat befördert. Danach erfolgten die Versetzungen in die vorgesehenen Einheiten. 

Ich sollte als Oberfunkmeister auf den schwimmenden Stützpunkt H66 eingesetzt werden. Da dieses Wohnschiff noch nicht fertig gestellt war, wurde ich vorübergehend zum schwimmenden Stützpunkt H64, der zur 4. TS-Abteilung gehörte, versetzt. Das Wohnschiff lang zum damaligen Zeitpunkt in Rostock-Gehlsdorf. Auf diesem Schiff wurde ich für die unterschiedlichsten Aufgaben eingesetzt. Meine Hauptaufgabe bestand darin, die Bordkantine zu leiten. Während dieser Zeit erlebte ich die große Sturmflut, die auch als die große Hamburger Sturmflut vom 16.02 1962 bekannt wurde. Ausgerechnet in dieser Nacht hatte ich auch noch DuD (Diensthabender unter Deck). Da der Wasserstand in der Warnow rasant stieg, mussten die Leinen des Wohnschiffes in der Nacht im Abstand von einer Stunde gefiert werden. Das war für alle Beteiligten Knochenarbeit, da das Wohnschiff ( 75 m Länge, 17 m Breite, 2 Stockwerke hoch) zusammen mit der  Admiralsjacht "Ostseeland" im Packet am Holzpier lagen. Außerdem musste in dieser Nacht noch ein Kutter K10, der zwischen dem Bug des Wohnschiffes und dem Pier in der Flut umherdümpelte, mit Hilfe eines Bordkranes auf das Achterdeck des Wohnschiffes geborgen werden. Dabei ging ein Matrose zweimal über Bord und drohte zu ertrinken bzw. zu unterkühlen. Nach einer dramatischen Rettungsaktion wurde dieser Mann im Bordlazarett wieder auf die Beine gebracht.

Im April 1962 wurde ich auf H66, meinem eigentlichen Einsatzort versetzt. Der schwimmende Stützpunkt stand in der Peenewerft Wolgast kurz vor seiner Fertigstellung. Dort erfolgte noch eine kurze Baubelehrung, bevor das Schiff ausgerüstet und am 02. Mai in Dienst gestellt wurde. Ich war in erster Linie für den einwandfreien technischen Zustand der gesamtem Nachrichtentechnik von H66 verantwortlich. Außerdem oblag mir die Organisation sämtlicher Nachrichtenverbindungen und die Weiterbildung der Funkgasten. Anfang Juni 1962 war die Stammbesatzung (15 Mann) vollständig, und H66 wurde zur Halbinsel Bug auf Rügen verholt. Da der dort im Bau befindliche neue Stützpunkt für die 6. Flottille noch nicht fertig gestellt war, mussten wir an einem provisorischen Anlegesteg aus Holz festmachen. Dieser Liegeplatz war nur 2 km vom Ferienort Dranske entfernt, so dass für die Besatzung eine herrliche Zeit anbrach. Die TS-Boote befanden sich zu diesem Zeitpunkt für längere Zeit zu einer Übung in polnische Gewässer und Standortbestimmungen für unseren Liegplatz gab es noch nicht. Wir lagen praktisch wie ein "Zivildampfer" mitten in einem Urlaubsparadies. Um den Bordbetrieb während der Freizeit zu gewährleisten teilte der Stützpunktkommandant (ein alt gedienter Korvettenkapitän) die Besatzung in Backbord- und Steuerbordwache ein. Somit war gesichert, dass man jeden zweiten Tag an Land gehen konnte. Wöchentlich reisten neue Urlauber an und es gab jeden Tag Tanz in 2 Sälen. 

Ende August 1962 wurde in Rostock eine Delegiertenkonferenz der NVA durchgeführt. Dazu wurden alle 3 Wohnschiffe nach Rostock-Kaputzenhof verlegt und dienten dort als Unterkunft. Sämtliche Einrichtungen der Schiffe wurden für die Versorgung der Delegierten genutzt. Nach einer Woche Aufenthalt erfolgte die Rückfahrt nach Dranske. Diese Überfahrt sollt die erste Bewährungsprobe für Besatzung und Schiff werden. Als wir die Warnow verlassen hatten und die offene See erreichten, wurde das ganze Ausmaß eines Unwetters sichtbar. Die beiden Schlepperkapitäne und der Stützpunktkommandant beschlossen aber die Fahrt trotzdem fortzuführen. Auf der gesamten Fahrt entlang der Insel Hiddensee stand ein Wind von 6 auf die Backbordseite des Wohnschiffes. Für ein Schiff mit diesen Ausmaßen in Bontonbauweise und einen Tiefgang von nur 1,80 m war das eine echte Herausforderung. Fast alle Besatzungsmitglieder wurden seekrank, so dass der LM (leitender Maschinist) und der 1. Proviantmeister für die Besatzung Mittag kochen mussten. Als in den Nachmittagsstunden die planmäßige Kursänderung erfolgte hatten wir den Wind von achtern und alle kamen wieder allmählich auf die Beine. 

Im Herbst 1962 wurde die gesamte Abteilung nach Peenemünde verlegt, um dort die TS-Boote im Nordhafen über die Wintermonate instandzusetzen. Anschließend wurde die planmäßige Ausbildung der Besatzungen fortgeführt. Dabei wechselten wir oft die Standorte. Hauptsächlich waren wir in Saßnitz, Lauterbach, Barhöft, Parow, Gager und Peenemünde. Im Frühjahr 1963 wurde ich zum Obermaat befördert. Im Herbst 1963 wurden in der NVA die Laufbahnbestimmungen geändert. Das hatte zur Folge, das viele Planstellen neu geordnet wurden. Meine Planstelle fiel weg und es wurde eine andere eingerichtet, die als "Funkobermechaniker Kurzwelle" bezeichnet wurde. Ich sollte zur Landfunkstelle Peenemünde als Schichtleiter versetzt werden. Da ich das Bordleben nicht aufgeben wollte, reichte ich beim Chef der 6. Flottille eine entsprechende Eingabe ein. Diese hatte Erfolg und ich durfte an Bord bleiben. Da mir in Frühjahr 1964 eine attraktive Planstelle im Flottillenstab angeboten wurde, verpflichtete ich mich für weitere 2 Jahre. Im Mai 1964 wurde ich zum Meister befördert. Im Frühherbst 1964 war die erste Werfliegezeit für das Wohnschiff fällig. Auf der Peenewerft Wolgast wurde das Schiff aufgeschlippt und  gründlich instand gesetzt. Während dieser Zeit blieb die Stammbesatzung an Bord und arbeitete mit den Werftarbeiter zusammen. Nach der Fertigstellung passierte im Stützpunkt Wolgast eine Havarie bei der Trinkwasserübernahme. Der 1. Maschinist vergaß die Lüftungsstutzen zu öffnen und der Trinkwassertank wurde beschädigt. Für diese Reparatur musste das Schiff in der Werft erneut aufgeschlippt werden. Als das Schiff wieder flott war, wurden wir nach Prerow verholt. Wenige Zeit später kamen dann auch die TS-Boote unserer Abteilung dort hin. Dieser Stützpunkt war eigentlich nur ein provisorischer Liegeplatz in unmittelbarer Nähe vom Leuchtturm Darßer Ort. Es waren dort keinerlei Landanschlüsse für die Versorgung des schwimmenden Stützpunktes mit Wasser, Strom oder Dampf vorhanden. In einem kleinen natürlichen Gewässer, das sich hinter einem kleinen Wäldchen befand und von der Seeseite nicht einzusehen war, baute eine Pioniereinheit einen u-förmigen Holzpier. Hier waren wir bis zum Herbst 1964 stationiert und fuhren die unterschiedlichsten Seetörns. Überwiegend wurden die TS-Boote für Aufklärungsfahrten  im gesamten Ostseegebiet eingesetzt. Der Standort hatte für die Besatzungsmitglieder viele Vor- und Nachteile. Die Einheit lag nur 500 bis 800 m vom bekannten FKK-Strand Prerow entfernt, so dass man sich in der Freizeit unter den Urlauber mischen konnte. Der errichtete Absperrzaun am Strand hatte schon lange riesige Löcher und bestand schon fast gar nicht mehr. Trotz anstrengendem Diensthabendensystem verbrachten wir doch einen schönen Sommer mit den dort angereisten Urlaubern. Anderseits war die Versorgung in diesem Stützpunkt problembehaftet. Süßwasser war z.B. immer knapp und konnte nur mit Versorgungsschiffe herangeschafft werden. Da kam es auch mal vor, dass wir uns mit Seewasser waschen mussten. Die Verpflegung war allerdings gut, da es täglich die so genannte TS-Zulange gab. Der Verpflegungssatz war grundsätzlich höher als bei den anderen Einheiten der NVA. Dazu kam dann noch die TS-Zulage und auf See gab es alle 2 Stunden Zusatzverpflegung. Die TS-Zulage bestand überwiegend aus Südfrüchten, Säften, Schokolade oder warmen Mahlzeiten als Abendbrot. Außerdem erhielten diese Einheiten zusätzliche Vergütungen, die sich aus Bordzulage und Seezulage zusammensetzten. Auf Grund der fehlenden Landanschlüsse musste eine Maschinenwache eingerichtet werden, um die Stromversorgung und das Heizen sicherzustellen. Für die Sicherstellung der Nachrichtenverbindungen mussten provisorische Telefon- und Fernschreibleitungen über 7 km durch den Prerower Forst verlegt werden. Wollte man im Ort an Land gehen, musste man einen Fußmarsch von 8 km in Kauf nehmen.

Im Herbst 1965 wurde unsere TS-Abteilung nach Dranske verlegt. Dieser Stützpunkt war unterdessen fertig gestellt und die Hafenanlagen waren dort mit modernen Versorgungseinrichtungen ausgestattet. Dort verbrachten wir mehrere Monate. Im Sommer 1966 wurde die gesamte Einheit zum polnischen Flottenstützpunkt Swinoujscie verlegt. Dort nahmen wir an einer gemeinsamen Übung der sozialistischen Ostseeflotten teil. Anschließend wurden wir bis Ende September in Saßnitz stationiert. Anfang Oktober verlegten wir nach Rostock-Gehlsdorf. Dort wurden die Boote abgerüstet und aufgeschlippt. Am 27. Oktober 1966 endete dann meine Dienstzeit bei der Volksmarine, indem ich zusammen mit vielen anderen Zeitsoldaten planmäßig entlassen wurde.